Leseprobe

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Verliebt
in Visp


In Blüetutröim in Visp VS wird auf engstem Raum viel gelacht, zugehört und immer wieder das Unmögliche möglich gemacht. Amoureux à Viège

Zwischen Trockenloops, Boho-Sträusschen und romantischen Willkommen-Zuhause-Schildern steht ein junger Mann. Er spricht mit gedämpfter Stimme, ist unsicher, ob der Strauss, wie er ihn sich vorstellt, nicht «too much» ist. Und was, wenn sie ihn nicht annimmt? Gleich zwei Floristinnen kümmern sich um ihn, reden ihm gut zu. Sie wissen, dass sich das Paar kürzlich getrennt hat. Nachdem die Türe hinter dem aufgewühlten Kunden zufällt, besprechen sie das Vorgehen. 

Es ist ein klarer Fall für Anita Gasser. Die Floristin ist die Lieferexpertin und gute Seele von Blüetutröim. Es käme oft vor, dass die Leute ihnen ihre Geschichten erzählen würden. Aber dieses Level an Nervosität sei jetzt doch eine Première, sagt Corinne Bayard, die das Geschäft seit bald zwanzig Jahren führt. Corina Lötscher, die zweite Chefin, ist soeben von der «Katakombe» hochgekommen. So nennen sie den zusätzlichen Arbeitsbereich im Keller. Sie bereitet eine Hochzeit vor. «Es geht gerade alles ein bisschen drunter und drüber bei uns», sagt sie vergnügt. 

Tanz auf mehreren Hochzeiten

 «Wir lieben Hochzeiten», sagt Bayard, «und manchmal sinds wir diesbezüglich etwas masslos!» Letztes Jahr hätten sie an einem Wochenende sechs gestemmt, im ganzen Kanton verteilt. «Da mussten wir schon kurz über die Bücher, wer jetzt genau wann was macht.» Im Wallis komme es zudem öfters vor, dass die Hochzeitspaare sich hoch oben in den Bergen das Ja-Wort geben. «Dann schleppen wir manchmal die Deko die letzten Meter zu Fuss auf den Hoger.» Aber nichts sei unmöglich, so lautet ihr Motto. Die morgige Hochzeit ist für das ganze Team aber aus einem anderen Grund speziell: die Braut ist Lou Lou Lugon, eine ihrer Mitarbeiterinnen – neben Sibylle Schmid die zweite Absolventin der Gartenbauschule Oeschberg, die nach dem Praktikum geblieben ist. Bayard und Lötscher sind begeistert von der Ausbildungsstätte. Die Lernenden seien schon etwas erfahrener, wenn sie für den letzten Feinschliff für ein Jahr ins Blumengeschäft kommen, und das sei ideal. Zum Glück, denn geeignete «normale» Lernende zu finden sei in den letzten Jahren schwierig geworden.


Das Blüetutröim-Team (v.l.): Anita Gasser, Corina Lötscher, Corinne Bayard und Sibylle Schmid. Wegen eigener Hochzeit nicht im Bild: Lou Lou Lugon.

Neben den zahlreichen Hochzeitspaaren, vielen treuen Stammkunden und der regen Laufkundschaft bedienen sie auch Abokunden. Darunter das Restaurant des Chemieriesen Lonza, das sie bei Anlässen schmücken dürfen. Und dann ist da noch Fleurop mit all den Zusatzprodukten, welche im Keller ein ganzes Gestell füllen. Diese Bestellungen brächten sie zwar ab und zu an die Belastungsgrenze (an einem Muttertag zählten sie 167 Aufträge), aber es lohne sich. Der Umsatz bezahle immerhin den Lohn einer Vollzeitfloristin.

Wie ein altes Ehepaar

«Als ich Mamma wurde, konnte und wollte ich es nicht mehr allein machen», erzählt die 41-jährige Bayard, eine waschechte Walliserin aus Niedergesteln. Die 33-jährige Corina Lötscher, der Liebe wegen von Thun nach Visp gezogen, war schon einige Jahre bei Bayard im Team, als sie vor fünf Jahren Geschäftspartnerinnen wurden. «Wie ein altes Ehepaar», beschreiben sie sich. Vom Charakter her wie Tag und Nacht, aber die perfekte Ergänzung. In der Umsetzung der Aufgaben seien sie sehr oft gleicher Meinung. «Corina ist die Ruhige. Sie behält immer den Überblick», sagt Bayard über Lötscher. «Corinne ist die Problemlöserin», sagt Lötscher über Bayard, «und der Schnörri.» Das sei cool. Sie würden allgemein viel kommunizieren, auch mit dem Team. Übrigens seien sie keine typischen Vorgesetzten, sagt Bayard: «Wir sind so wenig Chefinnen, dass uns die anderen manchmal sagen, was wir zu tun haben.» Sie lachen übermütig…

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